Bei einem kleinen Verlag wie diesem, spielen LeserInnen eine wichtigere Rolle, als man vielleicht denkt. Nicht nur, dass ihr die Bücher kauft und empfiehlt, sondern auch der Austausch mit euch. In dieser neuen Serie beantworte ich Fragen, die mich erreicht haben. Über alles vom dänischen Literaturmarkt bis hin zu den Formalien eines Verlages. Wir starten mit der Verlagsarbeit.
Als ich noch auf der Uni war, erschien mir die Arbeit in einem Verlag sagenhaft – das heilige Land, wo alle hin wollten ohne den Weg dorthin zu kennen. Das liegt, weiß ich jetzt, auch sehr daran, wie der Markt in Dänemark organisiert ist, und das dieser sich vor allem durch seine Größe auszeichnet, die miniklein ist. Es gibt hier keine offizielle Ausbildung, die an der Verlagsarbeit ausgerichtet ist. Aus dem Grund, war mir wohl, als ich angefangen habe, vieles nicht klar. Einen Verlag gründen, wie schwierig kann das schon sein? Jetzt weiß ich Bescheid: Sehr schwierig. Aber ebenso fantastisch.
Lasst uns von vorne anfangen…
Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Verlag zu gründen?
Bücher sind ein knallhartes Business, und viele Entscheidungen lassen sich aufs Geld zurückführen. Andererseits gibt es AutorInnen die Aufmerksamkeit verdient haben, selbst wenn sie keine 100.000 Exemplare verkaufen oder große Preise gewinnen. Einen vielfältigen Markt zu schaffen heißt auch, die kleineren Stimmen zu hören. Deshalb wollte ich die andere Seite der skandinavischen Literaturszene präsentieren. Nicht nur die KrimiautorInnen und BestsellerInnen. Sondern alle, die etwas besonderes geschaffen, der Szene einen Stempel aufgedrückt, oder etwas verändert haben. Diese AutorInnen präsentiere ich, und hoffe dadurch deutlich zu machen, dass unsere Literatur wilder und vielfältiger ist als Knausgaard und Krimis.
Wonach suchst du passende Autor:innen/Texte für den Verlag aus?
Mit meinem Herzen. Das Programm ist klein (das Budget auch) und daher nehme ich mir die Freiheit, die Titel auszuwählen, mit denen ich ein besonderes Erlebnis hatte. Bücher, die für mich etwas spezielles sind. Nicht nur im Sinne von „Bücher, die ich mit auf eine Insel nehmen würde”, sondern Werke, die etwas gereizt haben. Mit dem ersten Buch, GOLD von Victor Boy Lindholm verbinde ich immer noch die rote Farbe, die sich im Gesicht meines Uni-Professors verbreitete, als es erschien. So eine Unverschämtheit, meinte er, das ginge doch nicht. Da wusste ich: Das hier ist wichtig. Jetzt wird sich was ändern.
Was ist denn Verlagsarbeit abseits der Bücherstapel?
E-Mails, E-Mails und Exceltabellen. Es gibt wahnsinnig viel zu organisieren. Angefangen beim Marketing über Distribution und Verkauf bis zur Buchhaltung und Bürokratie. Inzwischen kann ich viel und oft mit AutorInnen, ÜbersetzerInnen und andere Verlagen sprechen, und das macht alles wieder wett. Die Verlagsarbeit macht mir am meisten Spaß im Austausch mit Anderen. Deshalb hat es mich auch tierisch gefreut zum Herbstanfang bei der IndieCon in Hamburg dabei gewesen zu sein. In solchen Momenten spüre ich, dass ich den Verlag nicht nur für die Bücher oder mich gegründet habe, sondern für die LeserInnen – für euch!
Was desillusioniert dich auch mal?
Ich habe immer unterschätzt, wie schwierig alles ist bzw. sein kann. Wie lange Sachen dauern, und wie unflexibel große Systeme und Distributionsketten sein können. Ganz am Anfang fühlte es sich wie ein Teufelskreis an. Denn um als Verlag groß zu werden, muss man eigentlich schon groß sein. Aber jetzt geht’s langsam wieder. Ich habe herausgefunden, was mir am meisten Spaß macht und worin ich am besten bin, und versuche jetzt den größten Teil meiner Zeit damit zu verbringen. Klappt nicht immer, aber jeder Tag ist ein neuer Tag, oder?
Wie läuft die Programmplanung bei dir? Wonach suchst du passende AutorInnen/Texte für den Verlag aus?
Das sind eigentlich zwei Fragen, passen aber gut zusammen. Tatsächlich (und manchmal, denke ich leider) gab es nie einen großen Plan. Ich habe mit den Büchern angefangen, die mir etwas bedeutet haben – entweder in Bezug auf Form, Stilistisk oder Thema. Bücher, die eine Spur hinterlassen haben, und Bücher die Vielfalt präsentieren. Aber, es wird einen Plan geben. Deshalb weiß ich momentan auch nicht was nach Rose werden kommt. Eines kann ich jedoch versprechen: Es ist noch lange nicht vorbei!
Wie sieht dein Alltag so aus, wie organisiert du alles?
Die Frage bekomme ich oft. Zum Teil, glaube ich, weil Soziale Medien eine riesige Illusion darstellen. Denn dort kann ich genau das posten, was gut aussieht, unproblematisch ist – hygge.So ist es natürlich gar nicht. Ich arbeite +40 Stunden die Woche in einer digitalen Agentur, bei der ich Head of Content bin, eine ziemlich herausfordernde Stelle. Davor und danach (und manchmal zwischendurch) lese und schreibe ich E-Mails. Gedanken mache ich mir sowieso den ganzen Tag. In manche Wochen plane ich für den Verlag extra Zeit ein, was entweder weniger Arbeit oder weniger Sozialleben bedeutet. In dieser Corona-Zeit ist das sicherlich einfacher gewesen, aber dann gab es wiederum andere Probleme.
Ich habe mir immer gesagt, dass ich nur so lange weitermache, wie es mir etwas gibt, weil an dem Tag, wo der Nord Verlag nichts außer eine Arbeitsaufgabe ist, wird es zu viel. Ich hasse es, wenn Leute den Verlag ein Hobby nennen, aber tatsächlich ist es ein bisschen so. Manche Leute laufen Marathon oder bauen sich eine Modelleisenbahn in den Keller. Ich bringe Bücher heraus, und hoffe, dass ihr sie genau so sehr lieben werdet wie ich. Momentan kann ich nicht nicht Bücher machen, und so lange es so bleibt, wird es meinen Verlag im Norden geben.
Die nächste Ausgabe der „Fünf Fragen” wird im Zeichen des Reisens stehen – in Zeiten wo niemand reisen kann. Es geht um Kopenhagen, dänische Literatur und Tipps. Und ich verspreche, dass es auch Tipps geben wird, die ihr von Zuhause aus genießen könnt. Bis dahin freue ich mich wie immer über Fragen oder Kommentare, entweder per E-Mail oder bei Instagram.
Bis dann – und bleibt Gesund.
Camilla